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Werkstatt gegen Mobbing in Mönchengladbach

Bei strahlendem Sonnenschein veranstaltete Aktion Courage am 20. Mai in Mönchengladbach im Rahmen des Modellprojektes „Couragiert gegen Mobbing“ eine weitere „Werkstatt gegen Mobbing“. Im Gemeinschaftszentrum Westend konnten die Projektleiterin Sanem Kleff und der im Kommunalen Integrationszentrum Mönchengladbach ansässige Regionalkoordinator von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage Michael Holzportz bei der Eröffnung nahezu 100 Jugendliche und Pädagog*innen aus 15 Schulen und Jugendeinrichtungen begrüßen. 

Foto: (c) Wolfgang Borrs

Auch Mönchengladbachs Bürgermeister Felix Heinrichs hatte es sich nicht nehmen lassen, die vollen Reihen zu begrüßen. Der SPD-Politiker ließ keinen Zweifel daran, mit dem Thema vertraut zu sein: „Mobbing gibt es auch in Mönchengladbach“, erklärte er, und erwähnte eine Reihe Faktoren, die eine Rolle spielen können: Menschen würden zum Beispiel wegen ihrer Hautfarbe gemobbt oder weil sie sich keinem Geschlecht zuordnen wollen, weil sie gleichgeschlechtlich lieben oder aus finanzschwachen Familien kommen.

Das Gemeinschaftszentrums Westend, ein 70er-Jahre-Bau, der freundlich, hell und offen wirkt, entpuppte sich als idealer Ort für eine „Werkstatt gegen Mobbing“. Das einstige „Jugendclubhaus“ hatte erst kürzlich seinen Namen geändert, um sich deutlicher als soziokultureller Treffpunkt mit Stadtviertelbezug zu positionieren, erklärte Leiterin Julia Schienke. Der größte Bereich bleibt die Kinder- und Jugendarbeit.

Nach einer thematischen Einführung von Sanem Kleff ging es in sieben Workshops. Der begehrteste Workshop passte dazu, dass weit über die Hälfte zuvor auf die Frage die Hand gehoben hatte, ob sie jemanden kennen, der schon einmal mit dem Handy beleidigt wurde: „Hate Speech im Netz und Cyber-Mobbing“ mit der Referentin Anna Bresler vom Bildungspark Mönchengladbach war sofort ausgebucht.

Foto: (c) Wolfgang Borrs

Im Workshop „Sport und Mobbing“ wurden die 16 Teilnehmenden – etwa je zur Hälfte Mädchen und Jungen, ein Sozialarbeiter, eine Lehrerin – zu Beginn gebeten, zu benennen, welche Team-Rollen sie kennen; vom Kapitän bis zum Ersatzspieler, vom Quarterback zum Running Back. Und es wurde darüber geredet, wie es Eintracht Frankfurt zwei Abende zuvor geglückt war, die Europa League zu gewinnen: „Sie kennen sich gut. Und sie haben gut zusammengehalten und -gearbeitet.“ Im weiteren Verlauf der knapp drei Stunden erarbeitete die Runde Vieles selbst: Sie sortierte und debattierte Begriffe wie Herkunft, Talent, Behinderung, Frisur, Alter nach „sichtbar oder nicht“, wobei sich herausstellte, dass viel auf Anhieb erst einmal unsichtbar ist. Dabei lieferte Künzel auch Einblick in eine Reihe Diskriminierungsdimensionen, von Armut bis sexuelle Orientierung. Das Fazit im Workshop: „Wir müssen uns besser kennenlernen, wenn wir gut miteinanderleben wollen.“

Weitere Workshops waren „Mach doch kein Theater – sei doch nicht so empfindlich!“ (Lutz Bublitz), „Jungs sind Chauvis – Mädchen sind schwach. Thema Sexismus“ (Lisa Wesemann, Rafael Rickfelder), „Poetryslam zum Thema Mobbing“ (Lukas Knoben) sowie der Rap-Workshop „Bastel deinen Reim, bau deinen Beat“ mit dem Rapper und Musikpädagogen Florian Steindle. Vornehmlich von Pädagog*innen wurde der Workshop zu den „Perspektiven der Krankenkassen und Mobbing“ mit Julia Katharina Vogt, AOK Rheinland-Hamburg, Marcel Küsters, Barmer Mönchengladbach und Justin Janorschke, besucht.

Foto: (c) Wolfgang Borrs

Im weiteren Verlauf erfuhr die Runde Fähigkeiten, um gut zusammenzuarbeiten, und sprach über hilfreiche und nicht so hilfreiche Strategien, um von einem Frustbereich ins Wohlbefinden zu kommen. Eine wichtige Erkenntnis: „Wenn ich gemobbt werde, liegt das nicht an mir. Sondern daran, dass die Grundbedürfnisse von jemand anderes nicht befriedigt sind. Das muss man sich als Opfer klarmachen“, erklärte Künzel.

Auch im Workshop zu den Perspektiven der Krankenkassen auf Mobbing war eins der Erkenntnisse, dass dem Sport eine große Rolle beim Kampf gegen Mobbing zukommen kann. Marcel Küsters von der Barmer Mönchengladbach, einer der beiden eingeladenen Vertreter*innen der Krankenkassen, der in seiner Freizeit in einer Fußballschule in der Ortschaft Kaldenkirchen unter anderem ukrainisch- und russischsprachige Kinder trainiert, wies auf die immense Bedeutung der Sportvereine hin. Zusätzlich bräuchte es aber vor allem auch geschulte Lehrkräfte, die in einschlägigen Fragen Ansprechpartner*innen kennen, sowie mehr Angebote vor allem im ländlichen Raum.

Außerhalb der Städte mangle es nicht nur an kinder- und jugendpsychiatrischen Therapieplätzen, sondern sogar an hausärztlicher Versorgung; viele Allgemeinmediziner*innen nähmen nur neue Patient*innen aus dem eigenen Ort auf. Die Barmer setze deswegen – auch zum Thema Mobbing – auf niedrigschwellige digitale Angebote, unter denen 24/7 jemand erreichbar ist.

Deutlich kreativer verlief der Poetry-Slam-Workshop. Lukas Knoben, selbst erfolgreicher Poetry Slammer, führte die Teilnehmenden zuerst in die Kunstform ein und dann niedrigschwellige Schreibübungen durch. Nach der Mittagspause stiegen die Teilnehmenden ins Thema Mobbing ein – und am Ende entstanden mehrere beeindruckende Texte, die sich aus verschiedenen Perspektiven dem Thema näherten. Einige dieser Texte wurden zum Abschluss der Veranstaltung im Plenum teils von den Leitern, teils von den Jugendlichen selbst vorgestellt – zusammen mit einem weiteren Text, der im Rap-Workshop entstanden war.

Regionalkoordinator Holzportz kündigte an, die „Werkstatt gegen Mobbing“ in dauerhaftes Engagement einbetten zu wollen: „Wir machen das nicht nur einmal, weil die Hauptstadt hier ist. Wir wollen diese Stadt zu einem vielfältigen Ort ohne Mobbing machen.“