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Foto: Felix Schmitt

Muslimfeindlichkeit

Die emotionale Wucht, mit der in der Öffentlichkeit häufig über „den Islam“ und damit verbundene Themen gestritten wird, offenbart, wie stark viele Menschen alle, die dem Islam angehören, ablehnen. Zu diesem Ergebnis gelangen auch verschiedene Studien. Beispielsweise meinen laut einer Erhebung der Universität Leipzig von 2018 44 Prozent aller Befragten, Muslim*innen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.
Frei von Emotionen war die Auseinandersetzung mit dem Thema Islam in Deutschland zwar nie: Diskussionen über den Bau von Moscheen oder das Kopftuch schlugen auch in der Vergangenheit immer wieder hohe Wellen. Allerdings drehten sich in den 1980er und 1990er Jahren die Konflikte vor allem um andere als religiöse Aspekte. Zum Beispiel um „Ausländerkriminalität“, „Sozialmissbrauch“, „Jugendgewalt“, „Bildungsdefizite“, „Parallelgesellschaften“ oder „Heiratsmigration“.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat die Muslimfeindlichkeit in Deutschland wie in Europa jedoch massiv zugenommen. Die Angst vor der realen Gefahr, die vom islamistischen Terrorismus ausgeht, wird dabei oft undifferenziert mit Ressentiments gegenüber allen Muslim*innen vermengt. In Europa profitieren davon auch die Rechtsaußenparteien. Sie schlagen immer wieder aus Kampagnen gegen „den Islam“ oder „die Muslime“ politisches Kapital.

Wie äußern sich antimuslimische Ressentiments? Und was machen sie mit den Betroffenen? Sakina Abushi, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei unserem Kooperationspartner ufuq.de, hat das für uns beschrieben. Sie spricht allerdings lieber von „antimuslimischem Rassismus“ als von „Muslimfeindlichkeit“. Deswegen mehr zu den Begriffen weiter unten.

Ausschluss und Abwertung von Muslim*innen

„Muslimfeindlichkeit“ und „antimuslimischer Rassismus“ bezeichnen die generelle Ablehnung von Muslim*innen aufgrund einer angenommenen Andersartigkeit (Othering). Muslim*innen werden also pauschal negative Eigenschaften zugeschrieben. Beispielsweise, indem alle Muslim*innen als bedrohlich, rückständig, frauenverachtend oder minderwertig dargestellt werden. Davon können auch Menschen betroffen sein, die keine Muslim*innen sind. Zum Beispiel, wenn ihr Gegenüber aufgrund ihres Namens oder ihres Aussehens davon ausgeht, dass sie Muslim*innen seien. Unabhängig davon, ob sie überhaupt religiös sind oder welcher Religion sie angehören.

„Den“ Muslim*innen wird dann ein vermeintliches „Wir“ (zum Beispiel „Wir Deutsche“) gegenübergestellt. Solche Stereotype sollen den Ausschluss und die Abwertung aller Muslim*innen rechtfertigen.

Es geht um gesellschaftliche Machtverhältnisse

Alle Ideologien der Ungleichwertigkeit, und dazu gehört auch Muslimfeindlichkeit bzw. antimuslimischer Rassismus, legitimieren gesellschaftliche Hierarchien und Machtverhältnisse. Sie können sich in der Diskriminierung einer betroffenen Gruppe ausdrücken. Und sie äußern sich auf verschiedene Arten. Als individuelles Vorurteil, als überliefertes Wissen, das zum Beispiel in Schulbüchern weitergegeben wird, oder auch als institutionelle Diskriminierung in Form von Gesetzen oder Abläufen in Behörden, beispielsweise im „Racial Profiling“. Für diejenigen, die diese Diskriminierung erfahren, aber auch für die ganze Gesellschaft, kann das sehr reale Folgen haben. Dazu gehört eine ungleiche Verteilung von Rechten, Chancen oder Eigentum, ebenso wie verbale und körperliche Gewalt.

Teilung in „Ihr und Wir“

Auch antimuslimische Diskurse haben Folgen für die Betroffenen. Genauso wie für unsere gesamte Gesellschaft. Denn sie sind weit verbreitet und wirkmächtig. Sie führen zu Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gegen Menschen mit tatsächlicher oder zugeschriebener islamischer Religionszugehörigkeit. Zum Beispiel bei der Suche nach einer Wohnung, einer Arbeits- oder Ausbildungsstelle oder im Kontakt mit Behörden. Auf institutioneller Ebene ist ein Gesetz wie der baden-württembergische Gesinnungstest für Einbürgerungsbewerber*innen aus muslimischen Ländern, der als so genannter „Muslim-Test“ bekannt und nach massiver Kritik 2011 wieder abgeschafft wurde, ein Beispiel institutioneller Diskriminierung. Aber auch in Zeitungen, Fernsehen und sozialen Medien sind antimuslimische Diskurse präsent und können islamfeindliche Einstellungen befördern. Besonders rechtspopulistischen Parteien ist es in den letzten Jahren gelungen, mit muslimfeindlichen Kampagnen weit über den offen rechtsextremen Rand hinaus an Einfluss zu gewinnen.

Die pauschale Konstruktion von Muslim*innen als Europas „andere“ hat übrigens eine lange Geschichte. Ihre Ursprünge reichen bis in die Zeit der Kreuzzüge zurück. Später fanden sie ihre Fortsetzung beispielsweise im Orientalismus, dem spezifisch westlichen Blick auf die arabische Welt, der „den Orient“ als mythischen und sinnlichen Ort verklärt. Aber auch im kolonialen Imperialismus und der bis heute noch präsenten Einteilung der Welt in Morgen- und Abendland oder Orient und Okzident sind sie vorhanden.

Muslimfeindlichkeit, antimuslimischer Rassismus oder Islamfeindlichkeit?

Statt Muslimfeindlichkeit sprechen manche lieber von antimuslimischem Rassismus, Islamfeindlichkeit oder Islamophobie, um ähnliche Phänomene zu beschreiben. Der Begriff „Muslimfeindlichkeit“ hebt hervor, dass sich diese Ideologie der Ungleichwertigkeit explizit gegen die Menschen richtet, die Muslim*innen sind oder für solche gehalten werden. Die Bezeichnung „antimuslimischer Rassismus“, für die sich ufuq.de entschieden hat, soll dagegen deutlich machen, dass die negativen Zuschreibungen von Muslim*innen mit klassisch rassistischen Stereotypen verbunden werden. Der Begriff hebt hervor, dass antimuslimischer Rassismus ein gesellschaftliches Problem ist. Es geht alle an und kann nur durch eine Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse verstanden werden.

Mehr zum Thema findet ihr im Baustein Antimuslimischer Populismus und im Themenheft Rechtspopulismus.