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Es gibt keine Schule ohne Rassismus

2. Mai 2023
Schild "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" am Schulgebäude

von Sanem Kleff

Ist die Aufnahme in das Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage ein Gütesiegel? Nein, sie ist das klare Signal: Wir machen uns auf den Weg zu einer rassismussensiblen Schulkultur.

Mit dem Leitsatz „Schule ohne Rassismus“ ist es wie mit Artikel 1 des Grundgesetzes, in dem es heißt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Tagtäglich wird in Deutschland gegen diesen Grundsatz verstoßen, im Alltagsleben, in den Behörden, Betrieben oder an den Schulen. Dennoch ist der seit dem Jahr 1949 geltende Satz keinesfalls wertlos. Er formuliert einen Anspruch, den mit Leben zu füllen alle aufgefordert sind: Bürger*innen, Politik, die Gesetzgebung und die Exekutive. Vielerlei Maßnahmen sind notwendig. Wieder und wieder, weil auch in unserer Gesellschaft stets neue Generationen heranwachsen, die sich auf den in Artikel 1 formulierten Anspruch verständigen und ihn gegen Angriffe verteidigen müssen. Die Geschichte lehrt: Es gibt keine Garantie, dass das gelingt. Es bleibt also eine Herausforderung, die niemals endet. Der Weg ist in diesem Fall tatsächlich das Ziel.

Immer wieder wird kritisiert, dass an den Courage-Schulen angebrachte Schild Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage erwecke den Anschein, die Schule sei ein Ort frei von Rassismus. Oft werden eigene Erfahrungen angeführt, die belegen, dass es an Courage-Schulen eben doch Rassismus gibt. Manche, die sich zu Wort melden, sind selbst von Rassismus in Courage-Schulen betroffen. Andere haben ihn in ihrem Schulalltag ertragen müssen. Es geht darum, dass Lehrer*innen, die rassistische Sprüche machen, trotz Beschwerden bei der Schulleitung unbehelligt weiterhin unterrichten. Oder dass so wenig geschieht, wenn sie sich bei der Klassenlehrerin über die homofeindlichen Sprüche der Schüler*innen aus der Parallelklasse beschweren. Es gibt an allen Schulen, ob mit oder ohne Schild, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Diskriminierung wie Klassismus, Homo- und Transfeindlichkeit oder Sexismus.

Deshalb ist das Herzstück der Selbstverpflichtung von Courage-Schulen das Versprechen, nicht wegzuschauen, wenn Gewalt, Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, stattfinden. Dort heißt es: „Wenn an meiner Schule Gewalt, diskriminierende Äußerungen oder Handlungen ausgeübt werden, dann wende ich mich dagegen, spreche dies an und unterstütze eine offene Auseinandersetzung, damit wir gemeinsam Wege finden, einander respektvoll zu begegnen.“ Dies zeigt: Es wird davon ausgegangen, dass es an Courage-Schulen Diskriminierung und Rassismus auch dann noch geben wird, wenn ein Schild von einer Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage spricht.

Wie könnte es auch anders sein? Die Zusammensetzung der Schulgemeinschaft ändert sich ständig. Das Schild erinnert an ein Ziel – und daran, dass es darum geht, sich immer wieder aufs Neue dafür einzusetzen. Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen an Schulen nicht beschweigen, Missstände offen ansprechen – das ist das Ziel und der Anspruch.

An inzwischen mehr als 4.000 Netzwerkschulen werden Wege für ein besseres Miteinander leidenschaftlich und mit unterschiedlichen Ergebnissen debattiert. Das zeigt: Immer mehr Menschen setzen sich kritisch mit dem eigenen Anspruch auseinander. Zugleich helfen diese Debatten bei der Entwicklung einer rassismussensiblen Schulkultur. Der kritische Blick, die kontroverse Diskussion und gemeinsames Engagement; all das gibt Anstöße und ermöglicht Veränderungen an den diskriminierenden Verhältnissen. 122 Landes- und Regionalkoordinationen begleiten, beraten und unterstützen die Courage-Schulen bei ihrem Engagement.

Eine Schule ohne Rassismus entsteht nicht durch ein Schild. Immer wieder aufs Neue und mühsam muss an ihr gearbeitet werden. Insofern beschreibt auch Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage vor allem einen Weg, den wir gemeinsam gehen wollen, hin zu einer rassismusfreien Schulkultur, in der die Gleichwertigkeit aller Menschen geachtet wird. Selbst wenn das Ziel noch weit in der Zukunft liegt: Wir sollten es weder aufgeben, noch die Messlatte tiefer hängen.

Sanem Kleff ist Direktorin der Bundeskoordination von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage.